Zürich, ehedem ein angesehener städtischer Flecken mit eigener Pfalz, wird erstmals um 929 als Stadt (civitas) bezeichnet. Sie war zu Anfang des 13. Jahrhunderts noch kein selbständiges Gemeinwesen, sondern Zugehör zum mittelalterlichen Deutschland. Die erstmalige Erwähnung von Zürcher Kaufleuten um 926 ist ein Beweis, dass die Stadt um jene Zeit bereits einen Markt besass. Als Folge eines spürbaren Aufschwungs, besonders in wirtschaftlicher Hinsicht, entwickelte sich Zürich zu einer wichtigen Stadt im süddeutschen Raum. So schuf das 10. Jahrhundert die Voraussetzungen, aus denen heraus sich eine politische Gemeinde entwickeln konnte. Die bisher vom Reichsvogt als Vertreter des Kaisers und der Stadtherrin, der Äbtissin am Fraumünster, ausgeübte Gewalt ging schrittweise auf einen städtischen Rat über. Ein solcher wird erstmals um 1220 erwähnt. Von diesem Zeitpunkt an standen die wichtigsten Entscheidungen in der Stadtpolitik in immer stärkerem Masse dem Rat als Vollziehungsbehörde zu, ein Stadtoberhaupt gab es damals noch nicht.
Die in der Stadt ansässigen, an sich zwar nicht zahlreichen Adelsfamilien, spielten im Rat eine wichtige Rolle. Während die Häuser um jene Zeit noch aus Holz gebaut waren – die erste vom Rat erlassene Vorschrift, wenigstens das erste Geschoss der Häuser in Stein auszuführen, stammt aus dem Jahre 1313 – wohnten die ritterlichen Herren zumeist in steinernen Türmen. Neben den Rittern sass eine weitere, zwar nicht adelige aber dennoch regierungsfähige Klasse von freien Burgern im Rat. Diese lebten teils vom Ertrag ihrer reichen Grundbesitzung oder vom Handel, den sie im Grossen betrieben.
Die Geschlechterherrschaft, die sich im Laufe der Zeit im Rat herausgebildet hatte, erregte besonders bei den vom politischen Mitspracherecht ausgeschlossenen Handwerkern Missmut und Verbitterung. Man warf dem Rat allerlei Missgriffe, wie Mangel in der Rechtspflege, Rechtsverzögerungen und Rechtsverweigerungen, Verschwendung öffentlicher Mittel etc. vor.
Eine Ruhmestat muss allerdings dem alten Rat zugestanden werden, als nämlich im Jahr 1330 Kaiser Ludwig der Bayer die Städte Zürich, St. Gallen, Schaffhausen und Rheinfelden für 2000 Mark Silber an Österreich verpfändet, schien für Zürich der Vorzug als Reichsstadt, um dessen Erhaltung sich die Bürger seit 1218 mit allen Kräften eingesetzt hatten, verloren zu gehen. Durch sofortige Aufbringung der vom Kaiser verlangten Reichssteuer befreite der alte Rat die Stadt vor Verpfändung. Dadurch war der Stadt reichsfrei. Die direkte Unterstellung unter den Kaiser und die Anerkennung des Rechts, sich selbst zu verwalten, waren weiterhin gesichert.
Als Folge des von den Handwerkern für sich geforderten vermehrten politischen Mitspracherechts und wirtschaftlichen Schutzes entstanden in der freien Stadt Zürich schwere innere Spannungen. An der Spitze der Unzufriedenen stand der junge, nach Macht strebende Ritter Rudolf Brun.
Mit Bruns Bewegung sympathisierte auch der Stadtadel, dessen wirtschaflitche Lage wegen der Erstarkung des Kaufmannsstandes immer ungünstiger geworden war. Während nämlich der Städtische Rat zusehends von den vermöglichen „Burgern“ beherrscht wurde, ging der Anteil der Ritter in den letzten Jahrzehnten immer mehr zurück. Die noch kurz vor dem Brunschen Umsturz dem Rat angehörenden Adeligen (1334) waren: Fastenrat: Ülr.Manesse, Rüd. von Glarus. Herbstrat: Götfrit Mülner, Lütolt von Beggenhoven, Johans Dietel, Heinr. Biber.
Hier sei kurz auf die Wandlung der mittelalterlichen Bevölkerungszahlen der Stadt Zürich hingewiesen: zu Bruns Zeiten, d.h. für das Jahr 1357, aus dem das älteste Steuerbuch stammt, wohnten in Zürichs Mauern 5700 – 6850 Personen, während ausserhalb der Stadtmauer noch deren 300-400 ansässig waren. In der Folgezeit hat sich Zürichs Bevölkerungsskala abwärts bewegt. Zur Zeit des ersten Kappelkrieges (1529) schwankte Zürichs Bevölkerung zwischen 4600 und 5500. Im Jahre 1637 steht sie auf 8600 und steigt bis 1671 auf 9300 bis 9900. Bald darauf hat sie sich um das Doppelte angehoben.
So vertrat Brun nicht nur die Interessen der Handwerker, sondern ebenso sehr diejenigen seiner Standesgenossen. Zur Hauptsache aber folgte Brun wohl einem persönlichen Drang nach Macht.
Zu spät kam dabei das eidliche Versprechen des Rates, für fünf Jahre von keiner Partei mehr Miet und Gut zu nehmen. Die zahlenmässige Überlegenheit der Handwerker sicherte Brun den Erfolg, als er am 7. Juni 1336 an der Spitze eines wütenden Volkshaufens das Rathaus stürmte und die Räte in die Flucht trieb.
Schon neun Tage später, am 16. Juli, trat im Hofe des Barfüsserklosters (heutiges Obmannamt) eine Bürgergemeinde zusammen. Sie beschwor den von Brun ausgearbeiteten „ersten geschworenen Brief“, und bezeichnete Ritter Rudolf Brun als Bürgermeister. Brun war auf Lebzeiten gewählt, niemandem verantwortlich und hoch über Räte und Zunftmeister hinausgehoben. Auch wurden im „ersten geschworenen Brief“ die vier Männer genannt, aus welchen nach Bruns Tod sein Nachfolger bezeichnet werden sollte: Ritter Heinrich Biber, Ritter Rüdiger Manesse, Herr Jakob Brun und Herr Johannes von Hottingen.
So hat Brun die neue Stadtverfassung in Anlehnung an den sog. Schwörbrief der Stadt Strassburg aus dem Jahre 1334, und die diktatorischen Kompetenzen seines Bürgermeisteramtes nach italienischen Vorbildern auf seine Person und seinen Ehrgeiz zugeschnitten.
Brun beeilte sich, seine neue Zunftverfassung auch von der Fürstäbtissin zum Fraumünster, vom Probst am Grossmünster, und später auch vom Oberhaupt des römischen Reiches Deutscher Nation, dem Kaiser Ludwig der Bayer, gewährleisten zu lassen.
Am 18. Juli schritt Brun zur Abrechnung mit den Mitgliedern des alten Rates. 22 von ihnen wurden ratsunfähig erklärt, davon zwölf auf Zeit aus der Stadt verbannt. In Anlehnung an die bereits erwähnte Strassburger Ordnung wurden die Ritter, Edelleute, Rentner, Kaufleute, Tuchhändler, Geldwechsler, Goldschmiede und Salzleute in der „Constaffel“ zusammengefasst. Der Name „Constaffel“ geht auf italienische Einflüsse zurück. Der Constabilis (von comens stabuli, constabularis = Stallgenosse) war im 14. Jahrhundert in Italien der Befehlshaber eines Reiterfähnleins, das meist aus deutschen Söldnern bestand.
Dagegen wurden die Handwerker in dreizehn Zünften zusammengefasst. Die Namen und übrigens auch die Wappen dieser alten Zünfte haben verschiedenen Ursprung. Teils gehen sie auf die Brunsche Berufsbezeichnung von 1336 oder auf den Namen eines früheren besessenen Hauses zurück, in dem die betreffende Zunft ihre Trinkstube hatte.
Von 1336 an bestand der kleine Rat aus zwei Ratsgruppen, aus dem Natalrat (Natale Domini- 25. Dezember) und aus dem Baptistalrat (Johannes Baptista=24. Juni). Jede Gruppe zählte 13 Constaffelräte und 13 Zunftmeister. Somit regierten die 26 Natalräte in der ersten, die 26 Baptistalräte in der zweiten Jahreshälfte. Der Bürgermeister stand immer im Amt; er war keiner Erneuerungswahl unterworfen. Jede Zunft wählte je einen Zunftmeister für die zwei Ratsgruppen, also deren zwei, einen „Regierenden“ und einen „Stillstehenden“.
Neben dem total 53 Köpfe zählenden Kleinen Rat amtete der Grosse Rat, zusammengesetzt aus den Vorsteherschaften der Constaffel und der Zünfte. Hierzu entsandte die Constaffel 28 und die Zünfte 168 Mitglieder. Dazu kamen 2 Bürgermeister – seit 1384 besass die Stadt nämlich deren zwei – sowie 6 Ratsherren, die vom Grossen Rat selbst gewählt wurden. Dieser Rat wurde als „die Zweihundert“ (CC) oder als „Rät und Burger“ bezeichnet.
Die Erneuerungs- bzw. Bestätigungswahlen der Zunftvorsteherschaften, die sogenannten „Zwölfer“ und bei der Constaffel die „Achtzehener“, fanden zweimal im Jahr, an den sogenannten Meistertagen (24. Juni und 27. Dezember) statt.